GERBER, KAUFMANN, BESENBINDER
MAUERSTRASSE 15 IN SCHWÄBISCH HALL
Bereits im späten 13.Jahrhundert waren im Umfeld des Roten Steges einige Gebäude als kleiner Straßenzug entstanden, womit sich bis um 1385 am linken Kocherufer eine Häuserzeile mindestens bis zur Mauerstraße 12 entwickelt hatte. Auf einigen dort entstandenen Kellergewölben dieser frühen Besiedlungsphase am Flußufer existierten zunächst vermutlich kleinere, einfache Häuser. Ihre Fassaden standen rund fünf Meter weiter bergwärts als die spätere Bebauung. Bei der Henkersbrücke hatte sich seit dem 12./13.Jahrhundert ebenfalls ein Siedlungskern um die Johanniterkommende (heute Kaufhaus Woha) am Mündungsbereich des Heimbach am Kocher entwickelt.
Um 1439/40 fanden Ertüchtigungs- oder Neubauaktivitäten an der Henkersbrücke statt, woraufhin auch die, den Kocher begleitende Mauerstraße eine funktionale Aufwertung erlebte und damit vermutlich auch eine bauliche Verbesserung erfuhr. In den 1440er Jahren, muss das linke Kocherufer dann jene, der Straße den Namen gebende Mauer erhalten haben, denn 1445/46 wird z.B. das Gebäude Mauerstraße 15 unter Einbeziehung eines älteren Kellers neu errichtet und nimmt mit seiner Gebäudestellung bereits Bezug auf diese Ufermauer. Die wenige Jahre zuvor, 1435 errichteten Häuser Mauerstraße 3 und 4 markierten mit ihren Stockwerkseinteilungen bereits die neuen Höhenverhältnisse der verbesserten Mauerstraße. Der Ausbau der Mauerstraße hatte damals einen in die Zukunft gedachten Grund:
Bis in das ausklingenden 15.Jahrhundert lief der Verkehr aus den westlichen und südlichen Anfahrtsrichtungen in die Recihsstadt Hall die Alte Reifensteige herunter über das „Lullentor“ (bei der Ruine des Pulverturmes an der Zollhüttengasse) und über die Lange Straße zur Henkersbrücke. Mit der Anlegung der Neuen Reifensteige und dem Bau des „Riedener Tor“ (beim Hotel Kronprinz in der Bahnhofstraße) wurden nun die Verkehrsströme zum Roten Steg/Steinernen Steg und zur Henkersbrücke auf die Mauerstraße gelenkt. Die Mauerstraße war also bereits im vielzitierten Jahrzehnt der Entdeckung des amerikanischen Kontinents eine Hauptverkehrsstraße mit zunehmend attraktiver gewordener Geschäftslage. In diesen zukunftsweisenden Bedingungen entstand 1446 das Haus Mauerstraße 15. Wie die jüngste Bauforschung herausfinden konnte, wurde es als Wohn- und Geschäftshaus- oder besser als „Handelshaus“ errichtet. In der ,für die Stadt Hall des 14./15.Jahrhunderts typischen Bauweise entstand im Erdgeschoss eine kleine, nahezu stützenfreie Halle, von welcher die beiden, bergseits gelegenen gewölbten Keller erreichbar sind. Mit dem Untersuchungsbefund wird im Erdgeschoss eine große Wandöffnung erkennbar, welche die Halle zur Straße hin öffnete und sehr wahrscheinlich mit einer Faltladenkonstruktion verschließbar war. Hier befand sich der straßenzugewandte „Laden“ für einen Händler und im 1.Stock wurde als Wohnung des bislang unbekannten Bauherrn neben einer gemütlichen Stube mit geschnitztem Deckengebälk eine Küche eingerichtet.
Die Restfläche der ersten Etage, sowie das gesamte 2.Stockwerk und die beiden Dachböden dienten als Lagerflächen für den Handelsbetrieb. Für das 1.Dachgeschoss konnte eine ursprüngliche Ladegaupe nachgewiesen werden, die mittels Seilaufzug die Waren- und Güterbewegungen direkt von der Straße aus in den Dachboden ermöglichte.
Für das 2.Stockwerk kann eine „Beladetür“ in luftiger Höhe in der spätmittelalterlichen Fassade über der Mauerstraße, direkt unter dieser Ladegaupe vermutet werden. Ihre Spuren sind nicht ohne weiteres nachweisbar, denn um 1760 erhielt das 2.Stockwerk eine Wohnnutzung, sodass die Fassaden barockzeitlich umgebaut und umgestaltet worden sind. Eine Rekonstruktionsskizze gibt die Ladegaupe und die spätmittelalterliche Fassadenansicht auf der Basis der vorgenommenen Beobachtungen wieder. Der dreistockige Fachwerkbau Mauerstraße 15 ist für die alte Reichsstadt ein wertvolles Kulturdenkmal, welches noch sehr wesentliche Elemente seiner spätmittelalterlichen Konstruktion beinhaltet. Dazu gehört auch ein ganz besonderes Mauermaterial, in Form auffallend großer Backsteine (35x8x15cm) aus der ursprünglichen Bauzeit, mit welchen die Wände bis zum Dachfirst hinauf ausgemauert worden sind. Sie zeigen für die 1440er Jahre eine damals innovativ-moderne und sehr solide Bauweise und sprechen für einen vermögenden Bauherrn.
Neben der ursprünglichen Wohnstube im 1. Stock mit ihrem geschnitztem Deckengebälk fanden sich unter jüngeren Putzschichten auch reichhaltige Malereien aus dem 16. und 17.Jahrhundert, die von farben- und formenfrohen Epochen berichten. Die heutige Fassade am Kocherufer wurde um 1760 mit großen Fenstern ausgestattet, als das Gebäude neben einem Umbau des 2.Stockwerks zu einer Wohnung und einer Teilanhebung der Dachtraufe für den Einbau einer Dachstube auch ein neues Treppenhaus erhielt. Daneben brachte die Barockzeit neue Innentüren ins Haus, diverse Wandumbauten und vollflächige Wand- und Deckenputze in den Räumen.
In den 1860ern wurde die Erdgeschossfassade durch eine verputzte Backsteinwand ersetzt, in welcher bis um 1900 auch ein Schaufenster eingefügt war, worin zuletzt das Sortiment des hier ansässigen Bürstenbinders Koch die Auslage präsentierte.
Ab zirka 1910 war auch das Erdgeschoss dann eine Wohnung geworden. Die letzten größeren Eingriffe in das alte Gefüge waren der Ausbau des 1.Dachgeschosses zu Wohnzwecken in den späten 1960ern und Umgestaltungen des Erdgeschosses in den 1980ern.
GEMARKUNG
Stadt Schwäbisch Hall
BAUALTER
1446-d-
STATUS
Kulturdenkmal (§2 DSchG)
NUTZUNG
Mehrparteien-Wohnhaus
BAUHERR
VECCIONOVA Grundstückgesellschaft GbR
LEISTUNGEN S.P
- Bestandsvermessung
- Bestandsdokumentation GKS III
- Planung und Ausführungsüberwachung (LPH 01-09)
- Projektsteuerung
- Verlaufsdokumentation
MASSNAHMEN
- Rückbau
- Instandsetzung Tragwerk
- Instandsetzung Fassaden
- Wärmedämmung Dach (U:0,19 W/qm*k)
- Innenausbau zu vier Wohneinheiten
VOLUMEN
–
UMSETZUNGSZEITRAUM
2020 bis 2022