RAVENSBURG // Prämiert durch das Bürgerforum Altstadt Ravensburg wurde eines unserer diesjährigen Projekte am vergangenen Freitag ausgezeichnet. Die gelungene Fassadensanierung zeigt, dass man mit konventionellen und einfachen Mitteln, sehr viel für das gemeinschaftliche Erscheinungsbild einer Altstadt tun kann. Gemeinsam mit dem Bauherren warb unser Büro für die Entwicklung einer öffentlichen Erhaltungskultur und betonte deutlich, dass es in Zukunft mehr fähige Handwerker im Bereich der Erhaltung benötige und dass das Ergebnis am Ravensburger Marienplatz dafür spreche, dass es diese in dieser wunderschönen oberschwäbisch Stadt noch gäbe. Besonders die öffentliche und gemeinsame Verantwortung für die Erhaltung von Stadtbildern zur Wahrung echter Identität fand Zuspruch unter den Anwesenden.
Die frisch sanierte Platzseite des Hauses Marienplatz 17 fügt sich wieder in die auffallende und markante Reihe des südlichen Marienplatzes ein. [Foto: C. Erb]
Das spätmittelalterliche, zweigeschossige Stadthaus wurde im 18. und 19. Jahrhundert mehrfach aufgestockt und um damals modernen Wohnraum erweitert. In dieser Zeit erhielt es auch das hoch aufragende und markante Mansarddach mit den drei prägenden Dachgauben.
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Einzelhaus als historisch belegtes Wohn- und Geschäftshaus, in einer städtischen, ortsbildprägenden geschlossenen Hauszeile als Teil einer schon mittelalterlichen Blockrandbebauung der historischen Altstadt von Ravensburg. Der betreffende Bereich wird heute zur ersten Stadterweiterung des Siedlungskerns gezählt und muss spätestens Ende des 14. Jahrhunderts bereits den zentralen Anger der überregional bedeutenden Marktstadt nach Süden hin abgeschlossen haben.
Im Untergeschoss (Gewölbekeller), teilweise im Erdgeschoss (Umbauten aus 20. Jahrhundert) und im 1. Obergeschoss sind noch weite Teile des Ursprungsbaus aus schätzungsweise der Mitte des 14. Jahrhunderts überliefert. Besonders eindrucksvoller Zeuge dieser Bauphase ist die, zum Platz hin gelegene, tonnengewölbte Bohlen-Balkendecke im 1.Obergeschoss.
Das 2. und 3. Obergeschoss, sowie die beiden Dachgeschosse entstanden erst im Rahmen einer Aufstockung des Hauses in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dabei ist auffallend, dass auf dem schmalen Grundriss alle Merkmale eines ganz klassischen städtischen Kaufmannshauses abgebildet worden sind (Küchen, Stuben (später Salons), Lagerflächen, usw.). In den historischen Wohnetagen sind noch große Teile einer Ausstattung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts überliefert, wie Riemenfußböden, Treppen mit vollständigen Geländern, Türen samt Zargen.
Das 1. und 2. Dachgeschoss wurde um 1990 zur Wohnraumerweiterung ausgebaut. Auch hier wurden bestehende Ausstattungen wie z.B. Riemenböden in Teilen erhalten.
Nach Außen zeigt sich das Haus in einer Darstellung der Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert. Die verputzten Fassaden sind mit hölzernen und weiß gestrichenen Zargen und Architekturelementen und -Applikationen besetzt, welche die Durchlochung symmetrisch und gleichsam hierarchisch gliedern. Der Schwerpunkt dieser Hierarchie wird dabei auf das 2. Obergeschoss gesetzt, das bis heute Teil von Wohnräumen ist, um die Jahrhundertwende jedoch die eigentliche Wohnetage dargestellt hat.
Durch den schlanken und sehr tiefen Grundriss des Hauses, ist die ‚Belle Etage‘ hier untypisch ins 2. Obergeschoss verschoben worden, weil im 1. Obergeschoss neben der heute noch befindlichen Werkstatt zum Einzelhandels-Handwerksbetrieb kein ausreichender Platz mehr vorhanden war. Das Haus ist heute seit über 100 Jahren im privaten Familienbesitz, der auch den ansässigen Handwerksbetrieb im Haus führt.
Die Fensterbekleidungen und -Zargen sind recht simpel aus einzelnen, vorfabrizierten Elementen zusammengesetzt, wie es in den Fassadenkompositionen städtischer Häuser der Jahrhundertwende absolut üblich war. In Süddeutschland ist der Einsatz von gestrichenen Holzbauteilen an Umbauten durchaus als übliches Mittel dieser Zeit zu beobachten. Die drei überlieferten Dachgauben sind fragmentartig in ähnlicher Weise besetzt wie die Fassaden, wenngleich auch deutlich zurückhaltender.
Die Sanierung der Fassade uns des Daches wurde zunächst als reine Unterhaltsmaßnahme geplant. Eindringendes Niederschlagswasser erweiterte das Vorhaben dann zu einer zusätzlichen Instandsetzung der südlichen Dachfläche, in deren Rahmen die bestehende Wärmedämmung durch eine zusätzliche, wasserführende Dämmebene ertüchtigt werden konnte. Diverse kleinere Holzschäden an den Dachgauben wurden fachmännisch instandgesetzt. Drei Fenster der 1980er Jahre wurden durch moderne Isolierglasfenster ersetzt und die Dachdeckung in dunklem Biberschwanz sowie die kupferne Deckung der Dachgauben wurden stilgetreu erneuert.
Dabei kam es dem Bauherren besonders aufn Details an. Trotz einer, sich lange hinziehenden Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde für drei Dachflächenfenster im zweiten Dachgeschoss, über den bestehenden Dachgauben, verzichtete der Bauherr am Ende auf diese Erweiterung, um das gewachsene Erscheinungsbild an diesem, platzprägenden Gebäude für die kommenden Generationen zu bewahren.
Hoch über dem Marienplatz: Neue Dichtbahn über dem historischen Dach und den instandgesetzten Dachgauben. [Foto: Kibele]
Eine kleine Besonderheit stellt der rot gefärbte Fassadenputz des Gebäudes dar. Nicht nur der Anstrich zeigt sich hier in einem satten Karmesin, auch der, in den 1970er Jahren erneuerte Fassadenputz ist vollständig durchgefärbt. Die Freilage der hölzernen Fassadenapplikationen von zahlreichen Schichten Lack und Ölfarbe eröffnete die detaillierte Kleinteiligkeit der Dekorelemente und macht diese für den Betrachter wieder erlebbar.
Besonderer Dank gilt der Zimmerei Kibele, Ravensburg, für die fachliche und zuverlässige Umsetzung dieser Maßnahme.