Der südwestdeutsche Dichter Eduard Mörike wirkte als Pfarrer und Dichter von 1834 bis 1843 in einem heutigen Teilort von Neuenstadt am Kocher im Landkreis Heilbronn. Dabei muss er oftmals in das nahe Städtchen gekommen sein. Allerdings war es einer seiner späteren verwandten, der als Landarzt die Notwendigkeit einer nachhaltigen medizinischen Versorgung erkannte und eine spitalsartiges Einrichtung in einem vormals als Arzthaus bereits verwendeten Gebäude eröffnete. Bis heute dient das Gebäude der Pflege.

Das klassizistisch geprägte Anwesen Öhringer Straße 1 in Neuenstadt am Kocher wurde 1828 errichtet und ist zwischenzeitlich mehrfach verändert worden. Als Baumeister des ursprünglichen Gebäudes kennen wir den Neuenstadter Werkmeister Jakob Adam Gross (1784-1843; auch Grosz und Grotz geschrieben), der als Generalunternehmer verschiedene Neuparzellierungen in den einstigen Flächen des ehemaligen Neuenstadter Hofgartens überbaute und diese Bebauungen nach Fertigstellung der Projekte an seine Abnehmer verkaufte. Das ursprüngliche Haus Öhringer Straße 1 ging in den Besitz des hiesigen Unteramtsarztes Christoph Friedrich Höring über, der 1830 als Eigentümer des Gebäudes genannt ist. Der ursprüngliche Grundriss des Hauses mit seinen Zimmerabfolgen legt nahe, dass Gross dieses Haus bereits als Landarztpraxis geplant hatte und „schlüsselfertig“ für diese Nutzung herstellte.

Bereits 1834 ging das Anwesen an den Mediziner Karl Ludwig Elsässer über, welcher an der Westseite des Erstbaus ein „Laboratorium“ anbauen lies. Elsässer, zu dessen Patienten auch der Dichter und Cleversulzbacher Pfarrer Eduard Mörike (1805-1875) gehörte, hatte neben seinem Grundstück den Neuenstadter Arzt und Apotheker Carl Abraham Möricke zum Nachbarn, der hier den angrenzenden Garten besaß und sich seit seiner Hochzeit 1837 mit „ck“ schrieb. Als Elsässer 1853 seine Neuenstadter Arbeit aufgab, erwarb Möricke das Landarzthaus, lies das Laboratorium wieder abbrechen und das Anwesen umbauen. Als Bauberater, oder Planer dieser Maßnahmen war Mörickes Schwiegervater, der „königliche Bau- und Gartendirektor“ Ernst Seyffer (1781-1856) aktiv. Auf ihn geht der bis in die jüngste Vergangenheit noch lesbare, parkartige Gartengestaltung der 1853 vereinigten Grundstücke mit Sichtachsen und teils exotischer Pflanzenauswahl zurück; Und er war es, der die heute fragil gewordene, künstliche Ruine an der Lindenstraße errichten ließ. Bis zu Mörickes Tod 1874 entstanden im Park noch weitere Bauwerke, etwa ein „chinesischer Tempel“, eine Laube und eine Kegelbahn, div. Wasserspiele, etc.

Bereits 1865 gab Möricke die Apothekertätigkeit auf und konzentrierte sich auf seine Arztpraxis, an welche um 1870 für das gesellschaftlich aktive Ehepaar Möricke ein Saalbau an der Ostseite angefügt wurde. Nach Mörickes Tod wandelte die Witwe ihren stattlichen Besitz in die Stiftung „Frauenstift von Carl Möricke zu Neuenstadt an der Linde“ um. Nach Umbau und Renovierung der Bauten fand die zweckbestimmte Einweihung am 25.Mai 1875 in Anwesenheit der württembergischen Königin Olga. Die Stifterin selbst nahm nicht teil. Sie lebte seit 1874 bis zu ihrem Tode bei ihrer Schwester, kam aber immer wieder nach Neuenstadt. Sie schrieb sich als Witwe übrigens wieder nur mit einem „k“ im Nachnamen.

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